Folgenden Brief beantwortete die Kultursenatorin  n i c h t:

HEW*-Lesetage gegen Vattenfall

c/o Hartmut Ring, GEW-Hamburg, Rothenbaumchaussee 15, 20148 Hamburg


An die
Kultursenatorin der
Freien und Hansestadt Hamburg
Frau Prof. Barbara Kisseler
Hohe Bleichen 22
20354 Hamburg


Betr.: Lesetage gegen Vattenfall

                                                                            Hamburg, 12.122013

Sehr geehrte Frau Kisseler,
im April 2013 werden bereits drei Initiativen Lesetage gegen Vattenfall veranstalten. Damit wird die Akzeptanz für die Vattenfall-Lesetage in Hamburg wieder deutlich geringer und der Protest gegen das Greenwashing einer Konzernmarke noch einmal deutlich stärker. Ingo Schulze wird unsere Lesetage auf Kampnagel eröffnen, gefolgt von einer weit gefächerten Veranstaltungsfolge in sehr unterschiedlichen und breit gestreuten Veranstaltungsorten und Schulen. Unterstützt werden diese  Lesetage gegen Vattenfall von einer Vielzahl von Autorinnen, Autoren und Verlagen sowie von der GEW.
Wie schon 2011 und 2012 erheben diese Initiativen und ihre Mitstreiter Einspruch gegen die Atom- und Kohleenergie des Konzerns und dagegen, eine Konzernmarke auch im Bereich von Kultur und Bildung durchzusetzen. Nachdem der NDR seine Medienpartnerschaft mit den Vattenfall-Lesetagen aufgekündigt hat, fordern wir noch einmal, dass auch die Hamburger Kulturbehörde ihre Unterstützung beendet. Die Hamburger Kulturbehörde kann nach unserer Meinung rechtmäßig keinen multinationalen Konzern unterstützen, der Energie aus Atom- und Kohlekraftwerken verkauft und zum Energie-Oligopol der vier Stromriesen gehört. Wir sehen keinen Grund, warum die Kulturbehörde einen Konzernriesen finanziell und durch andere Vergünstigungen unterstützt, bei anderen Initiativen im Kultur- und Bildungsbreich hingegen Einsparungen tätigt oder sie gar nicht fördert. Wir fordern die Kulturbehörde darüber hinaus auf, die Verteilung der Vattenfall-Prospekte an die Hamburger Schulen zu unterlassen oder aber die Prospekte aller Lesetage gleichermaßen an die Schulen zu verteilen.
Wir sehen Ihrer Stellungnahme gern entgegen und grüßen Sie freundlich
i.A.

Das Organisationsteam der HEW-Lesetage besteht aus: KP Flügel  - Gudrun Hammer  - Marianne Heidebruch für die GWA-St.Pauli  - Marita Lamparter - Renate Langgemach  - Hanna Mittelstädt für die Edition Nautilus - Jorinde Reznikoff – Hartmut Ring für den Landesverband Hamburg der Gwerlschaft Erziehung und Wissenschaft

* HEW steht für Hamburger Energie Wechsel

 

Stattdessen ergab eine Anfrage der LINKEn in der Bürgerschaft folgende Ergebnisse

 BÜRGERSCHAFT

DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 20/7061
20. Wahlperiode 05.03.13
Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 26.02.13 und Antwort des Senats
Betr.: Die „Vattenfall Lesetage“ 2013


Vom 18. bis zum 25. April veranstaltet der Energieversorger Vattenfall auch in diesem Jahr wieder die „Vattenfall Lesetage“ in Hamburg.
Seit Jahren tritt die Freie und Hansestadt Hamburg als Unterstützerin dieser Kulturreihe auf.
Auf www.hamburg.de wird bereits für die diesjährigen Vattenfall Lesetage geworben.
Die öffentliche Kritik an den Vattenfall Lesetagen, die dem Atom- und Kohle-konzern die Aufbesserung des Firmenimages mittels Kultur und „Greenwa-shing“ vorwirft, wurde in den letzten Jahren immer lauter.
Ich frage den Senat:


1. In welchem finanziellen Umfang und mit welchen konkreten Maßnahmen unterstützen die Freie und Hansestadt Hamburg beziehungsweise die Kulturbehörde oder eine andere Behörde die „Vattenfall Lesetage“ 2013? (Bitte den Haushaltstitel und die Höhe der entsprechenden Fördermittel angeben.)
 

Die zuständige Behörde hat die Absicht, das Kinder- und Jungendprogramm innerhalb der Vattenfall Lesetage mit 3.875 Euro aus dem Titel 3720.686.03 zu unterstützen. Außerdem werden sowohl die Broschüre für das Hauptprogramm als auch diejenige für das Kinder- und Jugendprogramm ein Grußwort des Präses der zuständigen Be-hörde erhalten.


2. Welche städtischen Räumlichkeiten beziehungsweise institutionell ge-förderten Einrichtungen werden im Rahmen der „Vattenfall Lesetage“ 2013 als Veranstaltungsorte für welche Veranstaltungen genutzt?
 

Entsprechende Veranstaltungsorte sind: Alte Probebühne Gaußstraße, DESY (HERA-Experimentierhalle), Hamburger Kammerspiele, Hamburger Kunsthalle, Hamburger Puppentheater, Hamburger Sprechwerk, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Laeiszhalle, Literaturhaus Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe, Norddeutsche Blindenhör-bücherei e.V., Ohnsorg-Theater, Planetarium, Polizeikommissariat 11, Schule Am Falkenberg, Staats- und Universitätsbibliothek, Thalia Theater (Nachtasyl), Theater für Kinder, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Erika-Haus), Warburg-Haus. Zu den Veranstaltungen siehe http://www.vattenfall.de/de/vattenfall-lesetage/programm-tickets-vattenfall-lesetage-2013.htm.
Drucksache 20/7061 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode 2


3. Inwiefern wird das Informationsmaterial zu den Vattenfall Lesetagen auch in diesem Jahr wieder an Hamburger Schulen verteilt? Ist auch in diesem Jahr wieder „die Poststelle der zuständigen Behörde“ (siehe Drs. 20/2038) für die Zuleitung des Informationsmaterials an die Schulen ver-antwortlich?
 

Die Hamburger Schulen haben im Februar 2013 Informationsmaterial zu den Vatten-fall Lesetagen über die Poststelle der zuständigen Behörde erhalten.

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Die Behörde verschweigt in ihrer Antwort, dass auch das sog. Internationale Maritime Museum von Peter Tamm Veranstaltungsort ist. Zahlreiche KünsterInnen haben Peter Tamm und sein Museum u.a. als Ort der Verharmlosung von Krieg und Rüstung, als Ort in dem Tamms sozialdarwinistisches Menschenbild zum Ausdruck kommt, als Sammelsurium von Geschichtsklitterung u.ä. kritisiert (siehe auch: Tamm-Tamm, KünstlerInnen informieren PolitikerInnen: http://news.web-hh.de/tamm.php?lid=22694; vgl. auch: Friedrich Möwe, Tamm Tamm, VSA-Verlag 2008).

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In der Programmbroschüre Seite 1 der Vattenfall-Lesetage ist sich Frau Kisseler in 'schöner' Einseitigkeit nicht zu schade, die Vattenfall-Lesetage über den grünen Klee zu loben.

Auszug: "Mit ihrem Porgramm leisten die Vattenfall Lesetage einen bedeutenden Beitrag dazu, die Hamburger Mädchen und Jungs für Literatur zu begeistern..." Über die Imagepflege, das Green- und Socialwashing, welches Vattenfalls eigentliches Motiv ist, kein Wort. So sieht heute eine literarischge PPP (Public Private Partnership) aus.

Hartmut Ring, GEW-Ausschuss für Friedenserziehung, März 2013

Hamburg, 18.04.2013

1. Die Vattenfall-Lesetage werden nicht nur von den Prominenten der "Lesen ohne Atomstrom"-Veranstaltungen durch Gegenveranstaltungen kritisiert, sondern auch durch die partizipativen HEW*-Lesetage (Hamburger Energie Wechsel), in denen sich Autorinnen und Autoren, Buchhandlungen, Verlage, Veranstaltungsorte jeder Art (von der Gräfin Schönfeldt bis Ingo Schulze, von der Kampnagel-Fabrik bis zum Golem-Club) zusammengeschlossen haben, um sich gegen Vattenfall zu positionieren. Ein Lesefestival kann nicht Vattenfall heißen, Kultur kann keine Werbeveranstaltung für einen Atom- und Kohlestromgiganten sein - diese Ansicht vertreten nicht nur Prominente, sondern eine Vielzahl von Initiativen aus dem gesamten Hamburger Kulturspektrum.
2. Die Leiterin der Vattenfall-Lesetage kämpft mit unlauteren Mitteln gegen die zwei Anti-Vattenfall-Lesefestivals. Im Streitgespräch mit Hanna Mittelstädt (Edition Nautilus) von den HEW-Lesetagen warf sie im "Hamburger Abendblatt" diesen Lesetagen vor, von der "Linken" gesponsert zu sein. Obwohl Hanna Mittelstädt erwiderte, dass 200 EUR aus dem Solifond der Linken einer der vielen kleinen Beiträge seien, aus dem sich das Budget der "HEW-Lesetage" zusammensetzt und diese Lesetage, wie man unschwer am Programm erkennen kann, keine parteipolitische Ausrichtung haben, wurde dieser Vorwurf mit im Interview abgedruckt, um auch die HEW-Lesetage in eine vermeintliche "linke Ecke" zu stellen. Barbara Heine sprach von einem "Kampf der Kulturen", ein völlig unpassender Begriff in diesem Zusammenhang, in dem das Greenwashing und Markenbranding eines Konzerns kritisiert wird.

3. Nach der Katastrophe von Fukushima war die Stimmung im 1.Jahr der Anti-Vattenfall-Lesetage sehr angespannt. Barbara Heine inszenierte die Anfrage einiger Aktivisten aus dem Umfeld der gegen Vattenfall gerichteten Lesetage, die einigen wenigen Autoren die Frage stellten, ob man nach Fukushima noch für einen Atomkonzern lesen könne, als "Angriff auf die Kultur". Damals schrieb sie selbst: "Autoren, die an den (Vattenfall)-Lesetagen teilnehmen, werden bedroht, Die Linke verschickt Aufrufe, die Veranstaltungen zu stören usw. ... eine Lektion in politischer Kommunikation, die in ihrer Emotionalisierung und Hysterie an Vorgänge erinnert, die ich nur von Zeitzeugen der 70er Jahre oder aus Geschichtsbüchern kenne." Wir haben das damals schon richtig gestellt, da diese Vorwürfe nicht auf Tatsachen beruhten, sondern Meinungsmache waren: es wurde niemand bedroht, und es gab auch keine Hysterie, die Hysterie lag allein in der Katastrophe von Fukushima und in der Verantwortung der Atomkonzerne! Offensichtlich arbeitet Barbara Heine aber heute mit den Mitteln, die sie uns damals vorgeworfen hat.
4. Nachdem der NDR seine Medienpartnerschaft mit den Vattenfall-Lesetage eingestellt hat und auch der Vattenfall-Medienparter "Hamburger Abendblatt" ein Streitgespräch der pro- und anti-Vattenfall-Lesetage abgedruckt hat, bleibt immer noch die unverständliche Unterstützung der Kulturbehörde sowie der Schulbehörde, die die Vattenfall-Programme an die Schulen verteilt, für diese Konzern-Lesetage. Wir haben dies in einem Schreiben an die Kultursenatorin kritisiert, der Brief ist auf unserer homepage zu lesen. Den Brief ließ die Senatorin durch Wolfgang Schömel mit einer lapidaren Verteidigung des Engagements "eines Unternehmens" beantworten. [Dokument: hier]

5. Lesetage, die den Namen eines Konzerns tragen, sind für uns nicht akzeptabel. Es muss diskutiert werden, wer die Kultur einer Stadt schafft und wie diese bezahlt wird. Nur durch eine offene Diskussion wird es eine unabhängige und freie Kunst und Kultur geben.
Das Organisationsteam der HEW* (Hamburger Energie Wechsel) Lesetage gegen Vattenfall

Neues

Die zunehmende "Refeudalisierung des Kulturbetriebes" beklagte der Schriftsteller Ingo Schulze schon 2007 (in seiner Dankesrede anlässlich des von E.ON finanzierten Literaturpreises):

Auszug aus der Dankesrede von Ingo Schulze zur Verleihung des Thüringer Literaturpreises 2007 in Weimar

"​.. Die Tendenz zur Refeudalisierung des Kulturbetriebes geht einher mit einer allgemeinen Privatisierung und damit Ökonomisierung aller Lebensbereiche: des Gesundheitswesens, der Bildung, des Sports, des Verkehrssystems, der Wohnungswirtschaft, der Energiewirtschaft – bis dahin, dass private Firmen Polizeiaufgaben übernehmen. Ich fürchte, dass es nur noch ein kleiner Schritt sein wird, bis private Armeen im Auftrag Deutschlands zum Einsatz kommen." [Mehr...]